Der Wunsch, selbstständig und mobil zu bleiben, ist ein zentraler Aspekt der Lebensqualität. Wenn das Gehen unsicherer wird, kann ein Rollator die entscheidende Unterstützung bieten, um weiterhin aktiv am Leben teilzunehmen. Doch viele Menschen zögern, diesen Schritt zu gehen, oft aus Unsicherheit über den Prozess und die Kosten. Ein weit verbreiteter Irrglaube ist, dass ein Anspruch auf einen Rollator von der Krankenkasse zwingend an das Vorhandensein einer Pflegestufe (heute: Pflegegrad) geknüpft ist. Das ist nicht korrekt.
Dieser umfassende Leitfaden räumt mit Mythen auf und begleitet Sie verständlich und detailliert durch den gesamten Prozess. Wir erklären Ihnen, welche medizinischen Voraussetzungen wirklich zählen, wie Sie das ärztliche Rezept erhalten, welche Kosten auf Sie zukommen und wie Sie die typischen Herausforderungen des Alltags, die mit einem Rollator einhergehen, souverän meistern. Unser Ziel ist es, Ihnen das Wissen an die Hand zu geben, damit Sie selbstbestimmt und gut informiert Ihre Mobilität zurückgewinnen können.
Der Schlüssel zur Kostenübernahme durch die gesetzliche Krankenversicherung (GKV) liegt in einem einzigen Kriterium: der „medizinischen Notwendigkeit“. Dieser Begriff ist im Fünften Buch Sozialgesetzbuch (§ 33 SGB V) verankert und bildet die rechtliche Grundlage für den Anspruch auf Hilfsmittel.² Es ist entscheidend zu verstehen, dass hier die Krankenkasse zuständig ist, nicht die Pflegekasse. Die Krankenkasse prüft, ob das Hilfsmittel erforderlich ist, um den Erfolg einer Krankenbehandlung zu sichern, einer drohenden Behinderung vorzubeugen oder eine bestehende Behinderung auszugleichen.² Ein Pflegegrad ist für diese Beurteilung nicht erforderlich.¹
Die medizinische Notwendigkeit wird durch eine ärztliche Diagnose untermauert. Ärzte können einen Rollator bei einer Vielzahl von gesundheitlichen Beeinträchtigungen verordnen. Typische Diagnosen und Indikationen sind unter anderem:
Die erste und wichtigste Anlaufstelle ist in der Regel Ihr Hausarzt. Er kennt Ihre Krankengeschichte und kann Ihre Gesamtsituation am besten beurteilen.⁴ Aber auch Fachärzte wie Orthopäden, Neurologen oder Geriater können eine entsprechende Verordnung ausstellen, insbesondere wenn die Gehbeschwerden im Zusammenhang mit einer spezifischen Erkrankung aus ihrem Fachgebiet stehen.⁶
Der entscheidende Faktor für die Qualität Ihrer Versorgung liegt in der Detailtiefe der ärztlichen Verordnung. Ein einfaches Rezept mit dem Vermerk „1 Rollator“ führt fast immer zur Versorgung mit einem einfachen Standard-Kassenmodell, das für viele Bedürfnisse unzureichend sein kann.⁷ Eine gut begründete Verordnung hingegen kann den Weg zu einem höherwertigen Modell, wie einem leichten und wendigen Leichtgewichtrollator, ebnen.⁵
Hier können und sollten Sie als Patient aktiv werden. Ihre Rolle ist nicht passiv; Sie liefern Ihrem Arzt die Argumente für eine detaillierte Begründung. Führen Sie vor Ihrem Arzttermin eine Woche lang ein „Mobilitätstagebuch“. Notieren Sie darin ganz konkret, wo und wann Sie im Alltag auf Schwierigkeiten stoßen:
Mit dieser Dokumentation geben Sie Ihrem Arzt greifbare, medizinisch relevante Informationen an die Hand. Er kann diese nutzen, um auf dem Rezept präzise zu begründen, warum nicht nur irgendein Rollator, sondern vielleicht ein leichteres Modell mit Sitzfläche und Korb für Sie medizinisch notwendig ist, um Ihre Selbstständigkeit zu erhalten und Stürze zu vermeiden.
Der Prozess von der ersten Überlegung bis zum Erhalt des Rollators kann auf den ersten Blick bürokratisch wirken. Mit einer klaren Anleitung lässt er sich jedoch unkompliziert und zielgerichtet bewältigen.
Nutzen Sie Ihr vorbereitetes Mobilitätstagebuch als Gesprächsgrundlage. Schildern Sie Ihrem Arzt präzise Ihre Alltagsprobleme. Sprechen Sie auch gezielt an, welche Eigenschaften für Sie wichtig wären. Wenn Sie beispielsweise in einer oberen Etage ohne Aufzug wohnen oder den Rollator häufig im Auto transportieren müssen, ist das Gewicht ein entscheidender Faktor. Bitten Sie Ihren Arzt, die Notwendigkeit für einen Leichtgewichtrollator auf dem Rezept zu vermerken und medizinisch zu begründen, zum Beispiel mit „erhebliche Muskelschwäche“ oder „Notwendigkeit des täglichen Transports über Treppen“.⁵
Das Rezept ist Ihr offizieller Antrag. Prüfen Sie es sorgfältig auf Vollständigkeit. Folgende Angaben sind unerlässlich:
Mit dem gültigen Rezept haben Sie zwei Hauptwege:
Ein seriöses Sanitätshaus wird Sie nicht nur mit dem Hilfsmittel versorgen, sondern auch eine fachgerechte Einweisung durchführen. Dazu gehört die korrekte Einstellung der Griffhöhe auf Ihre Körpergröße, die Erklärung der Bremsfunktion (Fahr- und Feststellbremse) und des Faltmechanismus.¹¹ Nehmen Sie sich Zeit für diese Einweisung und üben Sie die Handhabung direkt vor Ort.
Schritt | Ihre Aufgabe | Wichtiger Tipp |
1. Vorbereitung | Führen Sie ein „Mobilitätstagebuch“, um Ihre täglichen Schwierigkeiten zu dokumentieren. Informieren Sie sich über verschiedene Rollator-Typen. | Eine gute Dokumentation ist die beste Grundlage für eine detaillierte ärztliche Begründung auf dem Rezept. |
2. Arztbesuch | Besprechen Sie Ihre dokumentierten Probleme mit dem Arzt. Äußern Sie Wünsche (z.B. geringes Gewicht) und bitten Sie um eine präzise Verordnung. | Fragen Sie den Arzt, ob er die Notwendigkeit für ein spezielles Modell (z.B. Leichtgewicht) begründen und die HMV-Nummer eintragen kann. |
3. Rezept einlösen | Suchen Sie ein Sanitätshaus, das Vertragspartner Ihrer Krankenkasse ist. Legen Sie dort das Rezept vor und lassen Sie sich beraten. | Fragen Sie bei Ihrer Krankenkasse nach einer Liste der Vertragspartner in Ihrer Nähe, um sicherzugehen. |
4. Versorgung | Nehmen Sie an der fachgerechten Einweisung teil. Lassen Sie den Rollator exakt auf Ihre Körpergröße einstellen und üben Sie die Bedienung. | Bestehen Sie auf einer gründlichen Einweisung. Ein falsch eingestellter Rollator kann das Sturzrisiko erhöhen. |
Die finanzielle Seite ist für die meisten Menschen ein entscheidender Punkt. Hier ist es wichtig, die verschiedenen Modelle und Kostenstrukturen genau zu kennen, um eine informierte Entscheidung zu treffen.
Wenn Ihr Rezept genehmigt wird, haben Sie Anspruch auf eine Standardversorgung. Dieses sogenannte „Kassenmodell“ erfüllt die grundlegenden medizinischen Anforderungen, hat aber auch charakteristische Nachteile:
Für die Versorgung mit einem Kassenmodell fällt für volljährige Versicherte eine gesetzliche Zuzahlung an. Diese beträgt 10 % des Abgabepreises, jedoch mindestens 5 Euro und maximal 10 Euro.¹ Diese Zuzahlung leisten Sie direkt an das Sanitätshaus. Personen, die ihre jährliche Belastungsgrenze (2 % des Bruttoeinkommens, bei chronisch Kranken 1 %) erreicht haben, können sich von der Zuzahlung befreien lassen.⁹
Moderne Leichtgewichtrollatoren bieten deutliche Vorteile gegenüber den Standardmodellen. Sie bestehen aus Aluminium oder ultraleichtem Carbon, wiegen oft nur 5 bis 8 kg und sind dadurch wesentlich einfacher zu handhaben.¹⁵ Sie verfügen meist über einen praktischen „Längsfaltmechanismus“, der sie mit einem Handgriff schmal zusammenklappen lässt, sodass sie im gefalteten Zustand selbstständig stehen und leicht zu transportieren sind.¹⁴
Wünschen Sie sich ein solches komfortableres Modell, das über die medizinisch notwendige Basisversorgung hinausgeht, kommt die „wirtschaftliche Aufzahlung“ ins Spiel. Dabei übernimmt Ihre Krankenkasse die Kosten in Höhe der Versorgungspauschale für ein Standardmodell (dieser Betrag variiert je nach Kasse und Region, liegt aber oft zwischen 60 und 100 Euro). Die Differenz zum Kaufpreis des von Ihnen gewählten höherwertigen Modells tragen Sie selbst.¹³
Doch hier ist Vorsicht geboten. Eine Aufzahlung bedeutet nicht automatisch, dass der Rollator Ihnen gehört. In vielen Verträgen zwischen Sanitätshäusern und Krankenkassen ist geregelt, dass auch aufzahlungspflichtige Modelle Eigentum des Sanitätshauses bleiben.⁴ Zudem kann es vorkommen, dass der Privatkauf eines Wunschmodells im freien Handel (z.B. online) günstiger ist als die Versorgung über Rezept mit Aufzahlung im Sanitätshaus, da der Wettbewerb im freien Markt die Preise drückt.⁴
Klären Sie daher unbedingt zwei Punkte schriftlich, bevor Sie einer Aufzahlung zustimmen:
Merkmal | Kassenmodell (Standard) | Leichtgewichtrollator (Wunschmodell) |
Gewicht | ca. 8 – 12 kg | ca. 5 – 8 kg |
Material | Stahl | Aluminium, Carbon |
Faltmechanismus | Querfalter (oft sperrig, nicht stehend) | Längsfalter (kompakt, meist selbststehend) |
Eigentum | Leihgabe der Kasse/des Sanitätshauses | Meist Privateigentum (nach Klärung!) |
Kosten | Gesetzliche Zuzahlung (5 – 10 €) | Wirtschaftliche Aufzahlung (z.B. 150 – 500 €) |
Ideal für | Seltene Nutzung, geringe körperliche Anforderungen, reiner Basisbedarf | Tägliche aktive Nutzung, Transport im Auto/ÖPNV, Wohnen mit Treppen |
Die Lösung für diese alltäglichen Herausforderungen ist ebenso einfach wie effektiv: eine persönliche, abschließbare Aufbewahrungsmöglichkeit direkt vor der Haustür. Eine solche Rollator-Box schützt Ihr wertvolles Hilfsmittel und macht dessen tägliche Nutzung mühelos und sicher.
Eine hochwertige Aufbewahrungsbox bietet eine ganze Reihe von Vorteilen:
Legen Sie innerhalb eines Monats schriftlich Widerspruch ein. Bitten Sie Ihren Arzt um eine detailliertere medizinische Begründung für die Notwendigkeit des Hilfsmittels. Unterstützung und kostenlose Beratung erhalten Sie bei Sozialverbänden wie dem VdK oder der Unabhängigen Patientenberatung Deutschland (UPD).¹
In der Regel wird ein Rollator für einen Versorgungszeitraum von etwa 3 bis 5 Jahren bewilligt. Bei einer wesentlichen Verschlechterung Ihres Gesundheitszustandes kann Ihr Arzt jedoch auch früher eine neue, begründete Verordnung ausstellen.¹
Handelt es sich um ein Kassenmodell (Leihgabe), ist das Sanitätshaus, das ihn geliefert hat, für Reparaturen und Wartung zuständig. Diese sind für Sie in der Regel kostenlos. Bei einem privat gekauften Rollator tragen Sie die Reparaturkosten selbst.¹¹
Ja, das ist grundsätzlich möglich, erfordert aber eine genaue Abstimmung mit Ihrer Krankenkasse vor dem Kauf. Meist müssen Sie in Vorkasse treten und reichen die Rechnung anschließend zur Erstattung ein. Klären Sie den genauen Prozess unbedingt vorab, um nicht auf den Kosten sitzen zu bleiben.¹⁶
Das ist eine vom GKV-Spitzenverband geführte, öffentliche Liste von Produkten, deren Kosten von den gesetzlichen Krankenkassen übernommen werden können. Sie dient als Orientierung für Ärzte, Kassen und Patienten, ist aber nicht abschließend. Rollatoren finden Sie in der Produktgruppe 10 „Gehhilfen“.¹⁰
Auf dem Weg zu Ihrem Hilfsmittel und bei Fragen zu Ihren Rechten sind Sie nicht auf sich allein gestellt. Zahlreiche Organisationen bieten kostenlose und unabhängige Beratung und Unterstützung an.
Die Anschaffung eines Rollators auf Rezept ohne anerkannten Pflegegrad ist kein Privileg, sondern ein verbrieftes Recht für jeden gesetzlich Versicherten, bei dem eine medizinische Notwendigkeit besteht. Der Schlüssel zum Erfolg liegt in einer guten Vorbereitung, einem informierten Gespräch mit Ihrem Arzt und dem Wissen um Ihre Rechte und Möglichkeiten. Lassen Sie sich nicht von bürokratischen Hürden entmutigen.
Ein Rollator ist mehr als nur eine Gehhilfe – er ist ein Werkzeug für ein selbstbestimmtes Leben. Doch die wahre Unabhängigkeit zeigt sich erst im Alltag. Deshalb ist es ebenso wichtig, nicht nur über die Anschaffung des Hilfsmittels nachzudenken, sondern auch über dessen sichere und komfortable Integration in Ihr tägliches Leben. Eine durchdachte Aufbewahrungslösung sorgt dafür, dass Ihre neu gewonnene Mobilität nicht an der eigenen Haustür endet, sondern Ihnen jeden Tag aufs Neue Freiheit und Sicherheit schenkt.
Erfinder und Gründer von kiwabo